Donnerstag, 3. Mai 2012

We are young, we are free...

Oh mein Gott, ich kann es selber ja noch nicht ganz glauben - aber es ist warm! Irgendwie hat der Frühling dieses Jahr wohl nicht so ernsthaft Lust gehabt, hier aufzutauchen und deswegen ist der Winter gleich mal in den Sommer übergegangen. Ich beschwere mich da auch nicht großartig und mache vorsichtshalber einfach niemanden darauf aufmerksam, dass hier hier ja nicht so der richtig Gang der Dinge ist. Wäre ich ja schön blöd.

Wo sonst man man auch durch das Wasser tanzen? Das muss man ausnutzen.
Denn diese Woche sind es über 20 Grad und die Sonne scheint unaufhörlich. Das ist zum einen natürlich sehr erfreulich und ich hopse den ganzen Tag auch vor lauter Freude vergnügt mit einem sechstausend Watt Grinsen durch die Gegend. Andererseits habe ich am Samstag um neun Uhr morgens mal wieder ein Schwedischexamen (das sind doch Sadisten!) und dieses Superwetter wirkt sich irgendwie extrem negativ auf meine Prüfungsvorbereitungen aus. Da habe ich mich gerade dazu aufgerafft ein paar Vokabeln zu lernen und schon kommt mal wieder jemand in mein Zimmer gestürmt und sagt "Auf, auf geht's an den Strand!".

Irgendwann lese ich auch mal Kursliteratur. Das habe ich mir fest vorgenommen...
In einer besseren Welt würde ich sagen: "Nein, ich kann nicht. Ich muss etwas für diese Klausur lernen. Und danach noch meinen Schrank aufräumen. Wenn ich damit fertig bin, muss ich übrigens noch die dreitausend gesammelten Pfandflaschen wegbringen und wenn ich gerade schon mal dabei bin auch noch mal meine Immatrikulationsbescheinigung an meine Bank schicken". Aber machen wir uns nix vor. Wir leben in der schlechteren Welt. Die eben aufgelisteten Dinge werde ich entweder gar nicht oder ziemlich ungewissenhaft erledigen. Deswegen überlege ich alibimäßig auch drei Sekunden um dann sofort aufzuspringen und loszupreschen. Wie der Zufall so will, ist meine Strandtasche nämlich unter Garantie schon gepackt (ist wie eine Notfalltasche für wenn man mal dringend ins Krankenhaus muss) und ab geht's an den Strand!

"Ob eine ganze Flasche Spiritus reicht?" "Äh ja?!"
Weil das muss man ja schon halt mal ausnutzen, dass man direkt am Meer wohnt. Ich muss nur die Straße runterlaufen und schon bin ich da. Das hat mir in den vergangen drei Monaten nicht wirklich viel gebracht außer die ein oder andere Erkältung, aber den letzten Monat müssen ich und meine lieben Mitstudenten das noch voll auskosten. Ich war auch das erste Mal im Meer... um dann festzustellen, dass das Wasser so seicht ist, dass man zum Schwimmen etwa sechs Kilometer wandern muss, wenn man eine Wassertiefe von mehr als Kniehöhe haben möchte. Brauche ich aber nicht. Ich bin sowieso froh, wenn ich sehen kann, was da auf dem Grund abgeht und sich nicht  vielleicht doch irgendwo eine glitschige Qualle versteckt (alle, die schon mal Urlaub in Nordholland gemacht haben, werden mir das nachempfinden können. Ich wurde früher nämlich von den älteren Jungs immer mit toten Quallen beschmissen. Da habe ich immer noch ein Trauma. Ih. Bäh. Böh. Ih. Ih. Bah.).



Aber in Schweden am Schwedischen Ozean (einfache Antwort auf die Frage, was das hier genau jetzt noch mal für ein Gewässer ist) gibt es weit und breit keine von diesen ekligen Quallenviechern. Prinzipiell gibt es gar nichts. Und deswegen bin ich auch todesmutig zusammen mit den anderen durch das Meer gestapft und habe mich auch nur drei Mal fast aufs Maul gelegt, weil ich beim Ausschauhalten nach Quallen (man darf ja trotzdem mal Paranoia haben. Danke noch mal an Stefan H., mit dem ich bestimmt schon 15 Jahre nicht mehr gesprochen habe, der aber für diese Neurose verantwortlich ist, weil er es geschafft hat, mir eine Qualle in den Badeanzug zu stopfen) über meine eigenen Füße gestolpert bin. Das Einzige, was mir einen mädchenhaften Anfall vom Rumgekreische einheimste war so eine Kompostsuppe, die sich irgendwo auf dem Weg versteckt hat.

Da habe ich schon wohlweislich einen Pullover an, weil ich darunter einfach mal krebsrot bin...
Aber auch trotz dieser kleinen Rückschläge ist diese Woche einfach himmlisch. Die Sonne scheint, es sind sogar vereinzelt ein paar Blätter an den Bäumen und ich habe das Gefühl, Bäume ausreißen zu können. Irgendwie überkommt einen in den ersten warmen Tagen ja immer das Gefühl, dass man jung, frei und die Welt grenzenlos ist. Gut, dann kommt die Prüfungsphase oder irgendwas anderes, was einem furchtbar schlechte Laune bereitet - aber prinzipiell knallen einem dann ja erst mal schön die Hormone durch und man muss so viele Aktivitäten wie möglich durchziehen, die uns die Jeans-Werbungen immer gerne vorgeben. (Wenn ich mal groß bin, mache ich auch Jeanswerbung. "Ich habe eine Vision! Junge Menschen, ein Auto und eine weite Landschaft!" Wie originell... Au man. Ich habe es ja befürchtet - mein Studium lässt mich auch an unbeschwerten Sonnentagen nicht los...)

Junge Menschen, ein Auto, weite Landschaft - wie originell für eine Jeanswerbung...
Und deswegen hieß es auch in dieser Woche: Erst mal lustige Sonnenbrillen aufsetzen, das Radl schnappen und mit Bier, Grillzeug und Gitarre an den Strand fahren. Wir hätten so eigentlich auch gleich eine Bewerbung für die nächste Levi's Werbung losschicken können. Und das muss man Schweden ja auch lassen: Dieses Land bietet immer das richtige Setting. Aufgrund der mickrigen Population und der noch ausstehenden Saison kann man überall ungestört an Traumstränden rumlaufen und trifft dabei vielleicht mal so zwei, drei Menschen (die dafür aber bestimmt sechs Hunde haben). Da hat sich das lange Warten auf die Sonne also richtig gelohnt. Die langen, kalten Monate in kompletter Dunkelheit sind also schnell wieder vergessen.

Einfach mal ein bisschen auf das weite Meer starren muss auch mal sein.
Allerdings führt mein ewiger Aufenthalt in der Sonne auch mal wieder dazu, dass man mich jetzt wieder mit Frau Tomate ansprechen kann. Ich lerne es auch einfach nicht. Wie man aber an den Fotos sehen kann, knallen mir dank der Sonne die Hormone auch so durch, dass ich gleich mal wieder die Haarfarbe dem Sommer anpasse. Allerdings ist das Ergebnis mehr Organe als Blond geworden, aber noch zwei, drei mal bleachen und ich müsste mein Wunschergebnis haben - oder extremen Haarausfall (2...1... Risiko!). Aber das ist ja nicht schlimm, weil bei diesem extremen Grinsen auch keiner mehr auf meine Haar- oder Hautfarbe achtet. Denn nicht nur die Erasmus-Studenten, sondern auch die sonst so eher schwermütigen Schweden hopsen fröhlich durch die Gegend.

Und dann den Tag schön bei einem Bierchen ausklingen lassen.
Selbst der Ralle aus History and Society war zum Spaßen aufgelegt. "Du musst das Wetter noch genießen, Samira. Übermorgen wird das Wetter wieder schlechter". "Lustig, Ralf. Ich würde es viel mehr genießen, wenn diese drei Stunden History and Society nicht wären". "Warum sitzt du bei dem Wetter auch in meinem Kurs? Hast wohl nicht so viele Freunde, ne?". Was für ein Abzug! Erst wollte ich total beleidigt sein. Der sollte mal froh sein, dass überhaupt jemand in seinen Kurs kommt (wir sind mittlerweile 5 Menschen) und dann ist mir aufgefallen, dass der Ralle grinst. Der hat tatsächlich nen Witz gemacht, der alte Schlawiner! Wenn selbst der Ralle den Schalk im Nacken hat, ist die harte Winterzeit also endgültig vorbei. Juhu! Und deswegen pflanze ich mich jetzt mit meinen VIELEN Freunden an den Strand und lerne extra nicht für Schwedisch. Der Ralle hat das ja praktisch provoziert. Over And Out :)

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