Mittwoch, 22. Mai 2013

Bachelorarbeit: Wer nicht irre wird, macht irgendwas falsch.

Hallo Hallo, liebe Menschen! Ich weiß, ihr habt Ewigkeiten nichts mehr von mir gehört und ihr denkt wahrscheinlich schon, ich sei tot. Ist auch fast richtig. Bis gestern habe ich nämlich meine Bachelorarbeit im Hardcoremodus geschrieben. Deswegen hatte ich spontan nicht so die Zeit, mich mit sinnlosen Schreibtiraden auseinanderzusetzen. Stattdessen habe ich versucht, meiner Arbeit in der Agentur nachzugehen, den Dom zu retten, meine Thesis zu schreiben, mein Sozialleben aufrechtzuerhalten, in meiner WG nicht negativ aufzufallen, indem ich den Putzplan vernachlässige und als Sahnehäubchen der Beschäftigungstherapie noch nebenbei dem ZDV, für den ich das Projekt für den Kölner Dom gemacht habe, ein bisschen fitter in Sachen Social Media zu machen. Ihr könnt euch also vorstellen, dass ich in den letzten zwei Monaten jeden Tag gefühlt etwa drei Liter Red Bull direkt durch die Halsschlagader injiziert habe um das durchzuhalten. 

Andere Menschen wären daran zerbrochen und hätten sich ein fesches Burn Out zugelegt, ich habe stattdessen Wollfäden-Flechten als Stressbewältigungsmaßnahme für mich entdeckt. Total sinnlos, immer wie so eine Irre dazusitzen und drei Wollfäden akribisch zu flechten, aber es hat mir ungemein geholfen meine innere Mitte zu finden und kein Kettensägenmassaker anzurichten. Deswegen sagt mal wieder "Danke" zu den hässlichen Wollfädenskulpturen - vielleicht habt ihr denen euer Leben zu verdanken. Ansonsten würde ich aber lügen, wenn ich jetzt behauptete, dass ich den ganzen Schreibprozess über komplett auf der psychischen Höhe gewesen wäre. Lasst mich die heiße Phase - also die letzten vier Wochen - in Sachen bachelorarbeitbedinge Vollaussetzer kurz beschreiben:

Die gedruckte Version des Teufelszeugs. Bis dahin war es ein langer Weg...
Woche 1: Arbeite noch Vollzeit in der Agentur und meine Bachelorarbeit weist genau zwei Dinge auf - die Unternehmensbeschreibung und ein Titelblatt. Schuld daran ist eine Endloskorrekturschleife über mein Thema. In der Vergangenheit habe ich mich wenig einsichtig gezeigt aber jetzt wo die Abgabe sich nähert, hisse ich einfach die weiße Flagge und tue, wie mir geheißen, damit das jetzt endlich mal ein bisschen voran geht. Ich denke mir aber, dass das schon wird. Ich arbeite also meine acht Stunden am Tag um mich dann an den Schreibtisch zu setzen und loszulegen. 

Den ersten Abend klappt das noch ganz gut, den zweiten Abend schreibe ich bereits nur noch eine halbe Seite bis ich erschöpft aufgebe und doch lieber eine Folge The Big Bang Theory schaue, die ich aber dank totalem Synapsenstau einfach nicht verstehe und ausschalten muss. Am dritten Abend schreibe ich den Refrain von "I've been looking for Freedom" auf - sonst nichts und am vierten Tag starre ich im Büro eine halbe Stunde lang aus dem Fenster fast ohne zu blinzeln, bis das Telefon klingelt. Mein Stresslevel an Tag fünf schnellt hoch auf über 5.000, als sowohl A. als auch der IBE'ler meines Vertrauens mir stecken, dass beide bereits mehr als 10 Seiten fertig geschrieben und etwa 20 weitere durchstrukturiert haben.

Bitte alle mal recht herzlich mitsingen.

Woche 2: Ab jetzt habe ich Urlaub bis zur Abgabe. Naja, eigentlich muss ich noch einen Tag in die Agentur um meinen Anspruch auf Urlaub nicht überzustrapazieren, aber mein Chef meint, ich soll den ruhig mal stecken lassen. Ich denke allerdings, ich sollte den nicht stecken lassen, da ich aufgrund des ewigen Ausdemfensterstarrens in der vorangegangenen Woche nicht viel auf die Kette bekommen hatte und da schon noch die ein oder andere Sache erledigen muss. Gehe also doch noch einen Tag ins Büro und bin total relaxt, weil ich das schon alles irgendwie hinbekommen werde, schließlich habe ich ab jetzt frei. Hat schließlich schon immer irgendwie geklappt und außerdem gehe ich ja arroganterweise immer wieder davon aus, dass meine Schreibfähigkeit Gottes Geschenk an die Menschheit ist. 

Ähm... ja!
Dann kommt der erste Knick der zweiten Woche, weil ich merke, dass meine Schreibfähigkeit wohl doch nicht Gottes Geschenk an die Menschheit ist, sondern eher Satans - zumindest, wenn man sich mal meine kafkaesken Relativsätze reinzieht, die nicht mal Kafka selber blicken würde (aber das liegt eher am Inhalt als an der Struktur - vielleicht hätte er auch vor Beendigung des Satzes einen narkoleptischen Anfall erlitten, die sich sein Körper extra für mein Schriftstück zugelegt hätte). Meine Schwester kommt vorbei, blättert durch meine Entwürfe und ist nach zwei Seiten Manuskript bereits so gelangweilt, dass sie die weitere Korrektur verweigert. Wer will es ihr verübeln? Die theoretische Grundlage des Non-Profit-Marketings ist etwa so spannend wie die Vorlesungen, die wir zu dem Thema mal hatten und in der ich in aller Regelmäßigkeit nicht aufgekreuzt bin. Jetzt wünsche ich mir, ich wäre wenigstens jede zweite Woche mal hingegangen. Naja, machste nix, ne?

Woche 3: Nachdem ich mich durch den theoretischen Teil gekämpft habe, läuft alles viel einfacher und ich habe nicht mehr das Gefühl, mit dem Rad eine 89° Steigung bei Gegenwind hochzustrampeln. Jetzt sind es nur noch 60°, macht aber trotzdem noch keinen Spaß. Verliere auch ein bisschen an Lockerheit, als ich sehe, dass die ersten Menschen bereits abgegeben haben und ich gerade mal etwas mehr als die Hälfte habe, die in meinen Augen auch noch nicht mal besonders gut ist. Aber naja, dann ist das halt so. Gut Ding will Weile haben. Kurble also den Motivationsmotor an und schreibe wie Blöde.

Ich hab das alles im Griff - kann das nur nicht so zeigen...
Leider vernachlässige ich dabei meine äußerliche Ästhetik und auch meine Ordnungsdisziplin. Kurz: Bei mir sieht's aus wie bei Hempels unterm Sofa  und ich übrigens auch. Das geht so weit, dass der Klempner mich mit meinem Mitbewohner Tobias verwechselt. In anderen Situationen wäre ich alleine deswegen schon zur Mani- Pedi- und Sonstwasküre gerannt, in Woche 3 hat mich das dann irgendwie voll nicht gekratzt. Stattdessen mutierte ich zu Gollum in der Höhle, der den ganzen Tag seinen Schatz bewacht und schon einen nervösen Ausraster bekommt, sobald auch nur jemand in die Richtung meines Laptops schaut - könnte ja sein, dass derjenige durch den puren Anblick meiner Bachelor-Datei diese zerstören könnte. 

Woche 4: Ich bin dann auch auf so einen krassen Paranoiditätslevel angekommen, dass ich das Dokument auf meiner Festplatte, in Dropbox, in dieser Google Dropbox da und in meinem E-Mail-Fach speichere nur für den Fall, dass irgendein Hackergenie alle Server der Welt ausfallen lässt. Aber selbst das kann mir nichts anhaben - denn ich habe noch eine Sicherungskopie auf einem USB-Stick. Carina lacht mich aus und sagt, ich soll mich mal lockerer machen. Ich mache mich locker und speichere nur noch alle fünfzehn Millisekunden auf Festplatte, auf dem Rest nur noch einmal täglich. Gute Entscheidung, denn statt zu speichern kann ich auch mehr schreiben. 

Der Dom und ich - Definitiv keine Liebesgeschichte dank BA.
Schlechte Entscheidung, als ich Freitagabend alle Anhänge in die Worddatei packe - also so eine Trilliarde MB - weil ich mit dem Grundttexten fertig bin (Booooya!!!!), das Ausdrucke für die Korrektur und durch das Drucken völlig vergesse, meinen anderes Speicher-Ritual durchzuführen. Prompt bekomme ich die Quittung dafür. Samstagmorgen, AN MEINEM GOTTVERDAMMTEN GEBURTSTAG - will ich die Worddatei öffnen... UND DIE LÄSST SICH NICHT MEHR ÖFFNEN!!! Erst raste ich voll aus und zerschmeiße meine Spardose in einer mehr als impulsiven Handlung (auch voll bescheuert, aber bei sowas denkt man ja nicht nach), dann rufe ich A. an, die mich wieder Aufbauen muss. Dumme Idee, A. steht nämlich gerade beim Staples und weint selber, nachdem sie dem Kopiertypen verbal den Hals aufgeschlitzt hat, weil das alles nicht so funktioniert wie sie will und ihre Aggressionslevel noch höher ist als das von Brad Pitt in "Sieben" als der rausfindet, dass Kevin Spacey den Kopf von Gwyneth Paltrow in dem Karton vor ihm geparkt hat. Deswegen weinen wir einfach beide. Und A. baut mich auf, weil sie mich daran erinnert, dass ich das Dokument wenigstens ausgedruckt habe und nur noch wieder abschreiben muss. Ich wiederum sage, dass der Mann bei Staples nichts dafür kann, dass A. das Dokument nicht als PDF gespeichert hat, aber dann er sicher bestimmt zur untersten Kaste der Gesamtmenschheit gehört - sogar noch nach den Menschen, die Labskaus erfunden haben. 

Wenn ihr denkt, dass das der Tiefpunkt war... Nein, erst ab jetzt geht es so richtig bergab. Da Samstag ja mein Geburtstag war, hab ich da mal alle Fünfe gerade sein lassen und nichts für meine Arbeit getan - wie auch, die letzte Version ließ sich ja nicht mehr öffnen. Abends hab ich mir dann mit meinen Lieblingsmenschen, die extra aus ganz Deutschland und Österreich angereist sind, den ESC reingezogen, so wie wir das jedes Jahr tun. Und mich auch wie jedes Jahr dermaßen aus dem Leben geschossen, dass ich ab dem fünften Kandidaten glückselig alle schlechten Darbietungen mit Eifer verfolgt und kommentiert habe und die Arbeit für wundervolle vier Stunden aus meinem Gedächtnis streichen konnte. Als ich dann im Zug nach Hause saß, habe ich auch total erschöpft und wahrscheinlich liebreizend schnarchend meinen Kopf auf dem Oberkörper meines polnischen Sitznachbarn geparkt. (Weiß nicht, wie der das Fand, als ich aufwachte und mich entschuldigte, hatten wir Verständigungsprobleme...). Naja, also war Sonstag dann Schreiben mit erschwerten Bedingungen angesagt und alles, was ich schrieb, musste ich Montags nochmals umschreiben. Montag habe ich mit einem Mon Cherié gestartet und mich gefragt, ob die Bachelorarbeit mich in den Alkoholismus stürzt, dann habe ich mir gedacht, dass das jetzt auch egal ist und als i-Tüpfelchen noch was von den Chipskrümeln hinterhergeschoben, die auf meinem Pulli klebten. An den Rest des Tages kann ich mich kaum noch erinnern, da ich verbissen und Non-Stop versucht habe, mein Thema nochmals anzupassen und noch die ein oder andere Seite (sprich: alle) anzupassen. Sowas fällt einem ja irgendwie immer nur einen Tag vor Abgabe ein, ne?

Mein Name ist Samira und ich bin Mon-Cherie-Alkoholikerin
Hat nicht funktioniert, aber machste nix. Dann behandelt halt die eine Hälfte das eine Thema mehr und die andere Hälfte ein anderes. War mir dann auch egal. Dann hab ich's halt drucken lassen (wohlweislich der netten Frau bei Staples auf PDF gespeichert) und bin einfach nach Venlo. Die Arbeit war noch nicht ganz fertig korrigiert und ich hätte durchaus noch einen Tag Zeit gehabt. Aber ich war an einem Punkt angekommen, an dem ich einfach KEINEN Bock mehr hatte. Echt nicht. War mir jetzt alles egal. Ihr könnt mich mal. Ich geb das jetzt ab. Und dann? Plötzlicher Seelenfrieden. Wie auf Knopfdruck. Rien ne vas plus. Und wenn ich da jetzt durchfallen sollte, ist mir das auch egal, Hauptsache ich musste nicht eine Minute länger mit dieser Arbeit verbringen. Und soll ich euch mal was sagen: Ich bereue nichts. Denn ihr entschuldigt mich, ich gehe jetzt einhundert Millionen Jahre schlafen - naja oder bis morgen früh, dann muss ich wieder arbeiten. Over And Out :)

Abgegeben! Hier ist der Beweis.

2 Kommentare:

  1. Ach ja, gut das mir das bald alles bevor steht.
    Du machst einem ja fast nur Mut ;)

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  2. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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