Dienstag, 27. März 2012

Don't mess with La Familia!

Ich weiß nicht, ob euch das aufgefallen ist, aber ich wohne in diesem Semester ja doch ganz schön weit weg von zu Hause. Und die Tatsache, dass ich keinen Computer mehr habe, macht das ganze Unterfangen mit zu Hause zu kommunizieren doch nicht so ganz einfach. Ich schreibe mir zwar die Finger wund mit den lieben Freunden zu Hause, aber meine Eltern kommen auf jeden Fall ein bisschen zu kurz.

Denn sonst waren meine Eltern und ich immer ganz gut mit Skype dabei, aber das geht jetzt nicht mehr so geschmeidig. Deswegen haben meine Mutter und ich jetzt regen Facebookverkehr (was manchmal grenzwertig ist - sie verarscht mich immer noch nur am laufenden Band) und mein Vater und ich schreiben E-Mails. Das ist aber beides nicht so das gelbe vom Ei, weil Facebook kann immer gegen mich verwendet werden und die E-Mails von meinem Vater sind doch immer recht kurz (er hat seit Erfindung des Computers ein gut etabliertes Zwei-Finger-Suchsystem entwickelt und hat nicht die Absicht, diese Schreibskills in Zukunft zu verbessern).

Multikulturelles Familiendinner.

Und da ich also derzeit nicht mit meiner eigenen Familie rumhänge, habe ich mir halt temporär eine neue gesucht. Die ist ziemlich groß und  ziemlich cool, denn meine Mitbewohner im schönen Wohnheim sind der perfekte Familienersatz. Wir sind wie eine große multikulturelle Familie, die zwar auch mal aneinander gerät, sich die meiste Zeit aber lieb hat.

Ich würde nämlich nicht sagen, dass wir ein großer Freundeskreis sind. Freunde hinterlassen sich nicht gegenseitig irgendwelche Drohbriefe in schlechtem Englisch ("If you not remove fucking fuck mess I will put fucking fuck mess in your bed!") und Freunde klauen einem auch nicht die Spülung (Da bin ich immer noch nicht drüber hinweg übrigens). Freunde geben einem auch nicht ständig Ratschläge, wie man sein Leben zu leben hat ("Das geht viel schneller, wenn du das Wasser zum Kochen vorher im Wasserkochen heiß machst!" - "Gnaaaah! Halt die Schnauze! Ich hab schon 23 Jahre erfolgreich ohne deine Kommentare gekocht!") und Freunde klatschen einem auch nicht die Wahrheit so böse ins Gesicht (Flurnachbar hat meine Wäsche aus der Waschmaschine geholt: "Was zur Hölle ist das bitte? Da hat meine Oma hat noch heißere Schlüpper! Oder ist das ein Elefantenfangnetz?") oder sind extra böse zu einem (noch mal ein Querverweis auf den Vorfall mit der Spülung, ich werde nicht müde das zu erwähnen) wie die Familie.

Ist ja auch klar, Freunde kann man schnell verlieren, an die Familie ist man für immer - und in unserem Fall für die Zeit des Schwedenaufenthalts - gebunden. Und irgendwann ist man einfach weit über Höflichkeit und ordentliche Kleidung am Tisch hinaus. Das würde einen ja auch nur wahnsinnig machen. Trotzdem freue ich mich immer sehr, wenn wir alle zusammenkommen und den Abend miteinander verbringen können - auch, wenn die Familie manchmal echt nervt.

Wenn wir nicht zum Karneval kommen, kommt der Karneval halt zu uns.
Denn mit der Wohnheimfamilie ist es wie mit einer Großfamilie. Es gibt Leute, mit denen man sich gut versteht und die man gut kennt und es gibt Leute die man entweder nicht so mag (so wie die ewig herumnörgelnde Tante) oder die man kaum kennt (Cousin dritten Grades oder so). Aber trotzdem gehören sie halt dazu und man versucht sich zu arrangieren. Aus dem Weg gehen ist ja schwierig. Und dann muss man halt damit klarkommen, dass jemand ständig seine Wäsche in der Waschmaschine vergammeln lässt, sich nicht sonderlich viel Mühe gibt sich für die Nahrungsaufnahme etwas anzuziehen und/oder total besoffen nachts vor deine Tür rennt, weil er denkt, dein Zimmer wäre seins und sich wundert, wieso der Schlüssel nicht passt und es dann mit Gegenrennen versucht.

Weil wenn man das alles ganz gut aushält, bekommt man dafür eine Menge Spaß und ein Heimatgefühl zurück. Jemand ist traurig, dass er es nicht in die Heimat zum Karneval schafft (ein Niederländer übrigens - Ironie des Schicksals)? Kein Problem, dann schmeißen wir ganz uneigennützig eine Karnevalsparty, damit wir auch ja nichts verpassen und bringen auch gleich mal den Karneval anderen Kulturen näher. Nicht, dass ich ein großer Freund von Karneval wäre, aber so weit weg von zu Hause hat einem das doch ein recht warmes Gefühl gegeben. Besonders, als alle strunzenvoll waren und jedes Lied mit Discofox zerstört haben - da war das wirklich wieder ein bisschen wie Karneval im Grenzgebiet und damit wie zu Hause. Erst, wenn man so weit weg von zu Hause ist, vermisst man sowas plötzlich.

Im Kollektiv kommt man sich mit dem Schnurrbart nicht mehr ganz so doof vor.

Aber La Familia versucht ja alles, dass man sich zu Hause fühlt und die Heimat nicht allzu sehr vermisst. Es findet sich immer jemand, mit dem man essen, trinken, lästern oder auch einfach nur herumblödeln kann. Und ich muss euch ja nicht sagen, dass ich nie sonderlich weit weg bin, wenn es irgendwo Schnurrbärte aufzumalen, Fahrräder zu stapeln und/oder bekloppte Kostüme zu tragen gibt. Ich kann mit stolz sagen, dass ich zusammen mit Team Singapur den meisten Blödsinn im Kopf habe und La Familia immer darauf setzt, dass mein kranken Hirn schon die richtige wahnsinnige Idee ausspuckt. Meine Familienrolle ist da etwa so was wie der bekloppte Onkel, der zu Familienfeiern gerne mal im Taucheranzug auftaucht. Hätten einige von uns Kinder - die würden mich lieben. Ich bin der Spaßminister.

Auch wenn die anderen Heimweh bekommen bin ich nicht weit weg und stelle irgendwas auf die Beine, was alle wieder aufheitern sollte. Da zeige ich gerne meine von anderen meist geliebte und meist gehasste Seite. Was ich veranstalte macht Spaß aber mich etwas Veranstalten zu lassen ist die Hölle. Ich bin da unendlich Deutsch und das wissen die anderen auch. Wer will was wann wo machen, wer bringt was mit, wann wird das gemacht und welche Schritte müssen gemacht werden, damit das Endergebnis zufriedenstellend wird? Und noch schlimmer: Du hast das nicht gemacht, oder zu spät oder nicht so, wie ich das will? Ich gebe dir dreißig Sekunden Vorsprung und dann fange ich an zu laufen!

Ist ja auch wahnsinnig. Ich bin Deutsch und Wirtschaftsstudentin - eine Alptaumkombination fuer andere Kulturen. Die Fontys hat mich praktisch auf Ergebnisorientiertheit getrimmt. Ich mach da erst mal nen Durchführungsplan, wäge meine Ressourcen ab und finde dann heraus, was man mit dem Vorhandenen so basteln kann. Ich würde mal sagen, dass diese Ergebnisorientiertheit die anderen auf einer Skala von 1 bis 10 etwa so eine 8,5 nervt. Und wenn ich mal eine Sache in den Verwantwortungsbereich einer anderen Person abgebe, fühle ich mich schon ganz wild (und stalke denjenigen ja doch zu Tode, weil ich wissen will, wie es so läuft).

Braucht jemand ne abgefahrene Kopfbedeckung? Wir hätten da ein paar...

Aber hey, ist bis jetzt immer alles noch ganz gut gegangen und ich kann mich ja von Zeit zu Zeit auch mal locker machen in Sachen Spaßveranstaltungen. Die meisten dem Wahnsinn entsprungenen Ideen habe ich ja doch spontan. Und ich bin verdammt gut im Anstiften. Das hat dann unter anderem zur Folge, dass die absurde Küchenpflanze, die aus unserer Spüle wächst, gehegt und gepflegt wird (Sie heißt Horst und wenn jemand die auch nur schräg anschaut, bekommt der Kloppe von mir), mir alle zuhören müssen, während ich die schwedische Fassung der Elizabeth Taylor Biografie aus den 80ern rezitiere oder ich wahlweise auch die Fähigkeit zur Reproduktion des Franzosen aus dem anderen Wohnheim kurz in Gefahr bringe, weil der böse zu jemandem aus La Familia war und ich mich der Sache mal annehme (könnt ihr sagen, was ihr wollt - ich zähle das eindeutig zum weiten Feld der Spassveranstaltungen).

Weil egal wie sehr mich La Familia nervt und egal, wie oft ich mich über sie beschwere: Das ist MEINE Gang und nur ich darf schlecht über die sprechen. Wenn jemand was über La Familia sagt, dann muss der halt mit dem Verlust seiner Reproduktionsfähigkeit rechnen - oder noch schlimmer: Ich mache ihn zu meinem persönlichen Assistenten bei der nächsten Spaßveranstaltungsplanung! Over And Out :)

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