Montag, 6. Juni 2011

Berlin Calling

Wimmelbild. Meine Mutter ist auch
drauf. Ich sag nur nicht wo.
Diese Woche habe ich eine neue Strategie gefahren. Nach dem ganzen VWL-Quatsch und diverser beinahe-Nervenzusammen-brüche habe ich umstrukturiert. Ich habe mich jetzt nicht weiter stressen lassen und bin lieber mal zusammen mit meiner Mutter nach Berlin abgezischt. Bisschen Urlaub machen und auf andere Gedanken kommen und so. Gut, vielleicht habe ich es auch mal wieder mit einem Bewerbungsgespräch kombiniert -  ich alter Jetsetter - aber das war eher nebensächlich. "Mutig, mutig - so mitten in der Klausurphase einen Urlaub reinschieben" werdet ihr euch bestimmt denken. Das habe ich mir eigentlich auch gedacht. Aber ab und zu muss man auch mal was riskieren. Wo bleibt denn da sonst der Spaß im Leben, wenn man nicht ab und zu mal ein bisschen Spontaneität zeigt? Und so hieß es also mitten in der Klausurphase: Mama schnappen, bisschen was einpacken und ab in den Zug nach Berlin. Im Nachhinein muss ich auch sagen, dass ich es kein Stück bereut habe. Da ich ja schon seit gut drei Jahren nicht mehr fest zu Hause wohne, ist ein Urlaub mit der Mutter auch was anderes. Als ich noch bei meinen Eltern gewohnt habe, hätten mich keine zehn Pferde dazu bekommen, ein ganzes Wochenende nur mit meiner Mudda rumzuhängen. Auch keine sechs Elefanten, drei Säbelzahntiger und/oder vierzehn Pinguine (wobei... bei vierzehn Pinguinen hätte ich mit mir reden lassen.) Hatten wir ja schon mal. Total uncool und was soll die Gang davon halten und so. 
Abnabelungsprozess complete.
"Samira, nimm mal deinen
Schädel aus dem Bild!"
Aber wenn man nicht mehr zu Hause wohnt, ist das anders. Jetzt haben meine Mutter und ich nicht mehr so die Zeit, ständig zu quatschen und/oder uns durchgehend zu fetzen. Meine Mutter ist mittlerweile der Meinung, dass ich fertig sozialisiert bin und das schon irgendwie alles alleine schaffen kann. Neuerdings sind wir zwei Erwachsene, die sich fast auf Augenhöhe begegnen. Deswegen bin ich jetzt auch in der vorteilhaften Position, dass sie mir allen Freiraum der Welt lässt und lediglich einen kurzen Bericht zur allgemeinen Lage von Zeit zu Zeit erwartet. Positiv ist da auch, dass meine Mutter jedes mal vergisst, wie das Notensystem in den Niederlanden funktioniert. "Mama, ich hab eine 8.8 in Sustainable Innovation!" - kurze Anstrengung in ihrem Gesicht. Ich sehe wie sie rechnet, versucht sich zu erinnern und dann ihr Pokerface aufsetzt. "Das ist ja wundervoll, Samira!" sagt sie dann in der Regel ins Blaue hinaus. Das Tolle daran ist, dass diese Reaktion auch kommt, wenn ich sage, ich habe eine 4.3. Wäre ich mal bereits in der achten Klasse in die Niederlande immigriert! Es hätte mir einen riesigen Haufen Ärger erspart. Apropos Ärger. Ab und zu fallen wir dann doch in alte Rollenverhalten zurück. Erst letzte Woche passiert: Ich hatte es gewagt, bei meinen Eltern die Terrassentür aufzulassen und wieder nach Oben zu gehen, ohne sie wieder zu schließen. Uiuiuiui. Keine gute Idee. Meine Mutter kam nach Hause und statt das wie Erwachsene von Angesicht zu Angesicht zu klären, fand sie es angemessen sofort loszubrüllen und mir alle Einbruchsszenarieren der Welt an den Kopf zu speien. Da fühlte ich mich plötzlich so dermaßen back in 2004, dass ich ganz automatisch behauptete, ich sei es nicht gewesen. Was eigentlich total dumm war, denn die Beweislast lag eindeutig nicht auf meiner Seite - ich war seit mehreren Stunden die einzige Person im Haus. Trotzdem versuchte ich mich rauszureden. Hatte auch erst überlegt, ob ich eine abgefahrene Poltergeiststory zur Erklärung raushauen sollte. Ich wägte kurz ab und kam zu dem Schluss, dass das an Lebensmüdigkeit grenzen würde. Das wäre, als würde man ein ohnehin schon gereiztes, schaumvormmundhabendes Wildschwein mit dicken Steinen bewerfen und dann weglaufen. Die Quintessenz wäre die gleiche: Das Wildschwein ist ja doch schneller als man selbst (Bildlich gesehen. Ich will damit nicht sagen, dass meine Mutter aussieht wie ein Wildschwein. Nur so zur Info, um hier gleich mal das nächste Streitpotential zu minimieren). Deswegen verzichtete ich lieber auf die Poltergeiststory und zeigte reumütig Einsicht. Denn ich wollte meinen Freunden ganz bestimmt nicht beibringen müssen, dass meine Mutter mir soeben Hausarrest gegeben hatte und ich nicht mit zum IKEA fahren konnte. DAS wäre wirklich peinlich vor der Gang geworden. 
Als Mutti das letzte Mal in Berlin
war, stand das Ding noch komplett.
Naja, in Berlin selber war alles Happy Hippo. Ich musste dann nur leider feststellen, dass meine Mutter um einiges ausdauernder ist als ich. Während meine Mutter abends fröhlich pfeiffend nach einem anstregenden Stightseeing-Tag im Hotelzimmer saß und fern sah, lag ich halb komatös im Bett und wollte nur noch schlafen. Aber Mutter hat auch den Wettbewerb verzerrt. Die hat sich nämlich mit einer Kaffeetassenanzahl im zweistelligen Bereich gedopt und ich nicht. Voll ungerecht. Deswegen ziehe ich mir den "Ich bin viel fitter als du"-Schuh nur bedingt an. Vielleicht lag ihr Duracell-Hasen-Enthusiasmus auch daran, dass meine Mutter das letzte Mal in der Berlin war als die Mauer noch stand und ich erst im letzten Sommer. Ich glaube, Mama ist auch das gefühlte letzte Mal Bahn gefahren, als die Mauer noch stand. Kam mir zumindest so vor. Mutter im Zug: "Samira! Die sagen dir ja an, welche Station als nächstes kommt!" oder auch: "Steckdosen! Schau mal Samira! Die haben hier STECKDOSEN!" Und das alles mit der vollen Begeisterung eines Kleinkinds das zum ersten Mal ein Feuerwerk sieht. Dabei ist das eigentlich untypisch für sie. Normalerweise ist Mutti nämlich die Hippere von uns beiden. Andere Mütter bringen ihren Kindern Wattwürmer von Sylt mit, meine Mutter hat für mich Wold of Warcraft-Pappkronen von der GamesCom im Gepäck. Oder wenn ich irgendein Problem mit meinem Computer habe "Man, Samira! Einfach Strg und dann x 4 31 25 eins dreiundachtzig drücken. Dann hast du's doch. Ist doch echt nicht schwer". Naja, so ist das halt. Kein Wunder, dass das aus mir geworden ist - bei dieser Mutter. Over And Out :)

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