Sonntag, 9. September 2012

Cholerischer Bildungssnobismus für Fortgeschrittene

Hallo liebe Menschen, die das hier eh nicht lesen werden, weil sie bestimmt nicht drin sitzen (Wenn doch: Geh' raus, man! Ist doch traurig...). Gerade sitze ich vorbildlich im elterlichen Garten bei etwa fünftausend Grad im Sonnenschein und tippe euch diese Zeilen, nachdem ich heute schon irre fleißig war. Wenn ich sage, dass ich fleißig war, meine ich damit allerdings, dass ich mir ein Buch über Online-Marketing bei amazon bestellt und dass ich die neuen Folien für ALA irgendwas (Ich kann mir die Namen der Module immer noch nicht merken) ausgedruckt habe. Angesichts der Tatsache, dass heute Freibadwetter ist, finde ich mich also schon extrem motiviert. 

Ansonsten habe ich verständlicherweise aber nicht viel für die Uni gemacht dieses Wochenende. Stattdessen habe ich mir lieber die Sonne auf den Bauch scheinen lassen - allerdings in der Hoffnung, dass ich nicht noch brauner werde. Dass ich nach meinem fünfwöchigen Spanienaufenthalt nämlich zu braun bin, hat mir meine allerliebste Freundin A. nämlich letztens mal schonend mit der Behutsamkeit eines Presslufthammers beigebracht: "Sam - Ich hab dich lieb. Aber du siehst aus wie jemand, der bei "Hobbys" gerne "Meine Nägel" angibt!". Zu meiner Verteidigung möchte ich dazu aber sagen, dass ich an dem Tag was Pinkes getragen und mir das erste Mal in meinem Leben falsche Nägel aufgeklebt habe (Mach' ich nie wieder! Für Chaotinnen wie mich definitiv nicht geeignet, da ich am Ende alles in meinem Umfeld irreversibel an meinen Körper geklebt habe - nur die falschen Nägel nicht). 

Meine seriöse Brille und ich lesen ein Marketingbuch. Nicht. Aber bei der Sonne auch unangebracht.
Unter Umständen habe ich dann auf A.s Aussage ein bisschen (sehr) kratzbürstig reagiert. Schließlich bin ich bald Akademikerin und da habe ich sehr lange drauf hingearbeitet. Nachdem ich A. erklärt hatte, dass ich genau deswegen so unentspannt reagiere, musste meine liebste Freundin natürlich den von mir zugespielten Ball metaphorisch fangen und mir voll auf die Nase donnern. A.'s pseudo-verständnisvolle Antwort: "Natürlich hast du lange auf den Akademiker-Titel hingearbeitet, Evelyn-Chantal. Schließlich kannst du dir dann endlich bei Elitepartner den richtigen Versorger suchen!". Kurze Stille, in der ich überlege, ob ich mir diesen Tacker schnappen und A.s Gesicht damit bearbeiten oder es vielleicht einfach locker-flockig wegstecken soll. Kurz gewinnt der Impuls mit dem Tacker. Dann fällt mir ein, dass A. meine beste Freundin, aber auch meine stärkste Kritikerin ist und sie meistens Recht hat. Kurz reflektieren, dass A. mir nur den Spiegel vorhält, dass ich ein elender Bildungs-Snob bin und damit nur sagen möchte, dass ich mich mal locker machen soll.

Weil eigentlich bin ich, was den Umgang mit Selbstironie angeht, immer ganz vorne dabei. Selbstgewählt aussehen wie ein Idiot, weil ich mir Bockwurst auf den Arm schreiben lasse oder mit einer Bananenhose rumlaufe? Kein Problem. Rüberkommen wie eine Tussi? Weltuntergang! A. hat schon recht, da bin ich ein ziemlicher Snob. Also vermeide ich jetzt pinke Klamotten und habe die Nägel in einer schmerzhaften Prozedur wieder abgerissen. (Diese Prozedur habe ich übrigens mitten in E-Marketing vollzogen und Anki hätte mir am liebsten nur wegen des Geräuschs auf den Schoß gereiert. Aber da konnte ich keine Rücksicht drauf nehmen, da meine schließlich Seriosität infrage gestellt wurde!).

Wenn einer totale Superkompetenz ausstrahlt, dann ich!
Was die ständige Zurschaustellung meiner angehäuften Bildung in Kombination mit recht fixen kognitiven Fähigkeiten angeht, kann ich mich aber irgendwie auch nicht bremsen. Ich lese viel und deswegen weiß ich auch viel. Mein Problem dabei ist, dass ich erstens immer nur so ein Drittel der Information behalte und deswegen immer so ein gefährliches Halbwissen habe. Ich bin aber immer der festen Überzeugung, dass ich da voll total richtig liege wenn ich mich dazu herablassen sollte, mein Wissen generös mit dem Pöbel zu teilen. Sollte man mich dann allerdings berichtigen und damit meine Aussage infrage stellen, reagiere ich dann darauf generell unlocker und - eigentlich gar nicht meinem Charakter entsprechend - humorlos (siehe oben die Konversation mit A.). 

Genauso ist es bei Trivial Pursuit. Ich verliere mit Leidenschaft jedes andere Spiel. Egal ob Sport- oder Brettspiel. Ich muss nicht die beste Ballrumschubserin oder Monopolymasterin sein. Da lasse ich gerne den Menschen Vortritt, die Verlieren nicht ertragen können (Da steh ich drüber. Manchmal verliere ich sogar absichtlich, damit ich mir das Gezeter danach nicht anhören muss). Aber wenn es jemand in meinem Freundeskreis wagt, besser in Trivial Pursuit zu sein, kriege ich einen Vollausraster und sehe aus wie Rumpelstilzchen, wenn die Trulla seinen Namen rausbekommt (Wie das richtige Rumpelstilzchen. Nicht so süß wie der Busch im Video). 


Ganz besonders freundlich und gelassen reagiere ich auch immer gerne, wenn ausgerechnet ein Mann versucht, meine kognitiven Fähigkeiten anzuzweifeln. Diese Reaktion ist bei mir eigentlich gar nicht feministisch motiviert. Sie ist einfach nur erforderlich, weil es auch im 21. Jahrhundert anscheinend noch genug Männer gibt, die uns Dummerchen die Welt erklären wollen. Prinzipiell sollte ich mich nicht immer beweisen wollen, aber ich kann in solchen Situationen einfach nicht die Fresse halten. Die meisten Frauen reagieren da schlauer und stehen da einfach drüber indem sie nicht drauf eingehen - ich aber werde gleich persönlich. 

Ich habe es oft genug versucht. Aber es klappt immer nicht. Schönstes Beispiel kommt aus Skandinavistik im Auslandssemester. Ein britischer Mitstudent, der von sich selber dachte, er hätte die Weisheit mit Löffeln gefressen, wollte meine Hausaufgaben abschreiben. Ich gab sie ihm. Dann erinnerte er sich daran, dass Englisch nicht meine Muttersprache war und gab sie mir mit genau den Worten wieder zurück. Meine Hausaufgaben waren ihm also nicht gut genug zum Abschreiben, ohne dass er sie je gelesen hatte. Jeder andere Mensch hätte sich kurz geärgert und wäre dann zur Tagesordnung übergegangen. Aber nicht ich. Ich nahm das Heft entgegen und versuchte mich noch zu bremsen und zählte innerlich: 21...22..23... Merkte dann aber, dass das nichts bringt und wiederholte deswegen innerlich fünf Mal hintereinander den Satz "Ich bin ein Gänseblümchen!". Aber dann konnte ich's irgendwie nicht mehr drinbehalten. Innerlich machte es so: Kann.nicht.die.Fresse.halten. Muss.was.sagen.Muss.Objekt.vernichten! und ehe ich es mich versah, war der Satz: "Halt mal den Ball flach, du linguaphober Inselaffe. Mein Englisch ist fünftausend Mal besser als dein Deutsch!" schon aus mir rausgebrochen. 

Ich hab ne Weile in England gewohnt. Mein Englisch ist wirklich okay, du blöder Inselaffe! 
Naa toll. Hätte ich mal die Schnauze gehalten. Hätte ich auch weniger Ärger gehabt. Das ist halt auch der totale Nachteil von recht fixen kognitiven Fähigkeiten. Ich habe innerhalb von Millisekunden im Kopf die passende und treffende Beleidigung formuliert und - zu meinem Leidwesen und das des Gegenübers - auch in Null Komma Nix ausgespuckt. Normalerweise bin ich ein Zen-Master, was Reizbarkeit angeht. Aber wenn jemand meinen Intellekt beleidigt, ist derjenige fällig. Ich versuche das aber zu ändern. Promise. 

Als ersten Schritt gebe ich jetzt offen und ehrlich zu, dass ich jetzt ganz unintellektuell zu A. hüpfe und mit Schwiegertochter Gesucht reinziehe, weil ich da eine perverse Freude dran habe. Over And Out :)

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