Sonntag, 15. April 2012

Wir sind ja keine 20 mehr...


Darf ich vorstellen? Mein unwahrscheinlich gebräuntes, sorgloses und schlankes 20-Jähriges Selbst zusammen mit meiner ebenso gebräunten, sorglosen und schlanken 20-Jährigen schwedischen Freundin Josephine mal wieder in unserem damaligen Element. Mit bunter Blubberbrause mal wieder mitten im Geschehen. Kennengelernt haben wir uns im fernen England, als wir zusammen Au Pair in Oxford waren. Die Umstände als Au Pair waren in etwa die gleichen wie im Erasmus-Semester. Wenig Arbeit, viel Party, viele neue internationale Freunde und das in einem fremden Land, recht weit weg von zu Hause.


Einziger Unterschied ist, dass ich nicht mehr 20 bin wie damals, sondern jetzt tatsächlich schon an die 24 kratze. Hört sich immer noch jung an, man kommt sich aber ganz schön alt vor, wenn man sich nach drei Jahren dann das erste Mal seine Freundin von damals wiedersieht. Wie man auf diesem Foto erkennen kann, sind wir nicht mehr so braun, nicht mehr so schlank und auch nicht mehr so sorglos wie vor drei Jahren, aber immer noch guter Dinge. Allerdings merkt man schon, wie viel sich verändert hat, wenn man jemanden drei Jahre nicht gesehen hat. Ich habe Josephine nämlich über das Wochenende im zauberhaften Göteborg besucht.

Wenn Josephine, die anderen Au Pairs und ich mal wieder im Starbucks rumhingen statt zur Sprachschule zu gehen, drehten sich unsere Gespräche hauptsächlich um Männer, die neuesten Fashioneroberungen von Top Shop und was am Wochenende geht. Wir hatten keine Ahnung, wie man eine Versicherung abschließt, noch nie was von einer Nebenkostenabrechnung gehört und wie Finanzmärkte funktionieren, wusste ich damals auch noch nicht (Josephine immer noch nicht. Aber sie wird auch Englischlehrerin. Das braucht man da nicht) und man hat sich nie Sorgen um eine Weltwirtschafts- oder nahende Eurokrise gemacht. Jetzt sind wir weiser. Plötzlich drehen sich Gespräche dann um Eigentumswohnungen, Studienkredite und die Lage in Syrien.


Als wir das festgestellt haben, waren wir einerseits erstaunt und andererseits echt geschockt, wie erwachsen man in drei Jahren werden kann. Ich bin mir nämlich ziemlich sicher, dass ich Josephine das letzte Mal in Oxford sah, als wir mitten in der Nacht in ziemlich nuttigen Kleidern voll wie ein russischer Elternabend aus dem Club in den Fluss gelaufen sind während wir Plastikflaschen nacheinander geschmissen haben und ich meine Schuhe dabei verloren habe. Das war etwa das Erwachsenheitslevel, auf dem wir uns damals befunden haben.

Und einerseits ist es ja schon ziemlich cool, wenn man merkt, dass man sich tatsächlich entwickelt hat und durch das Studium doch so Einiges lernt. Irgendwie sind wir ja schon weiser und haben so viel mehr Ahnung vom Leben, als noch vor drei oder vier Jahren. Und Josephine ist noch sogar ein zwei Level weiter als ich. Sie wohnt mit ihrem Englischen Freund in einer echt schmucken Wohnung und arbeitet Vollzeit in einem schicken Hotel. Ihr Freund ist Koch und hat uns abgefahrene Elch-Ravioli selber gemacht. Da war ich schon ganz schön beeindruckt. Aber irgendwie kommt andererseits die Wahrheit ja dann doch auf einem niedergedonnert: Wir sind älter, weiser, aber auch ein bisschen unlustiger als damals.


Und das konnten wir ja so gar nicht auf uns sitzen lassen. Wir sind zwar älter, aber immer noch nicht alt. Deswegen wollten wir uns beweisen, dass wir immer noch extrem lustig und sorglos sein können. Aber sowas von! so kam es, dass die liebe Josephine dann den XXL-Karton Wein hervorgezaubert hat. Den hat sie nämlich vom familieneigenen Deutschen. Das überraschte mich doch schon ein bisschen. Denn anscheinend hat jede anständige schwedische Familie einen eigenen Deutschen, der ihnen Alkohol als Deutschland besorgt (praktisch sowas wie ein Haustier). Und dann haben wir angefangen zu trinken.

Wir hatten uns so gefreut, dass wir uns wiedergesehen haben, dass die Zeit einfach geflogen ist und wir nicht bemerkt haben, dass wir ins innerhalb von drei Stunden dann mal dreieinhalb Liter Wein reingepfiffen haben. Alter! Da hab ich aber auch die Englein singen hören und es war wirklich wieder wie in den guten, alten Oxford-Zeiten. Auch gut, dass wir irgendwann zu betrunken waren, um unsere spontan gefassten Pläne in die Tat umzusetzen (Ich wollte einen Pixie-Schnitt und Josephine wollte sich gleich ans Werk machen. Gott sei Dank haben wir dann aber so schnell das Thema gewechselt und sind auf eine andere Idee gekommen und haben den Haarschnitt vergessen).


Der Wein hat uns dann auch irgendwann schläfrig gemacht und wir sind friedlich und mit noch vollem Haar eingeschlafen. Das war definitiv wieder wie vor drei Jahren. Doch am nächsten Morgen mussten wir der Wahrheit ins Gesicht blicken: 20 ist definitiv vorbei. Denn im Jahre 2008 hätten wir uns am nächsten Vormittag schon wieder im Café befunden und hätten die Erlebnisse der letzten Nacht noch mal durchgekaut - aber 2012 läuft anders. Wir waren tot. Erschlagen. Zu nichts fähig. Niedergestreckt. Eigentlich hatten wir Pläne für den nächsten Tag - konnte man aber voll knicken. Alles, was ich hinbekommen habe, ist ein halbherziges Foto auf dem Weg zum Bahnhof.

Aber irgendwie ist die Erkenntnis auch positiv. Wir haben uns in den letzten Jahren alle weiterentwickelt und sind halt ein bisschen erwachsener geworden. Dann mache ich mir halt mal ab und zu Sorgen um die Euro-Krise, weil ich nun mal weiß wie Finanzmärkte funktionieren und habe vom Leben gelernt, dass ich nicht mehr mitten in der Nacht betrunken in den Fluss springe, weil das 1. gefährlich ist und ich 2. meine tollen neuen Schuhe dabei verliere. Aber ich bin immer noch jung genug, um zwei Flaschen Wein wegzuballern, ohne dass man mir den Magen auspumpen muss. Und ich bin jetzt zu Josephines neuem deutsches Haustier befördert worden! Das ist ein Großauftrag, den meine Leber noch zu händeln weiss - wenn sie auch etwa so drei Tage Regenerationszeit braucht. Ich werde mich nämlich jetzt wieder niederlegen um zu sterben und dabei ganz erwachsen Zeitung lesen oder so. Over And Out :)

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