Samstag, 10. Dezember 2011

Samira - Chroniken des Glühweinverfalls

"Hallo, mein Name ist Samira, ich bin 23 Jahre alt und habe ein Glühweinproblem" 

- So, oder so ähnlich muss ich mich wahrscheinlich demnächst bei den anonymen Alkoholikern vorstellen, wenn das mit meinen Glühweineskapaden so weitergeht.

Nichts drückt das derzeitige Problem so gut aus, wie diese Postkarte,
die mahnend an meiner Wand hängt.

Angefangen hat alles damit, dass ich ja jetzt in dieser tollen Stadt namen Hamburg wohne, wo es einfach an jeder Ecke einen bezaubernden Weihnachtsmarkt und/oder ein Aldi gibt. Irgendwo versackt man also ständig. Wenn nicht auf dem Weihnachtsmarkt, dann spätestens in der eigenen Wohnung, weil man noch gemütlich einen Glühwein trinken will. Und wenn man keinen Glühwein trinken will, dann kommt ja doch immer irgendjemand vorbei, der Glühwein im Gepäck hat. Ein Teufelskreis...

Doch diese Woche muss ich auch sagen, dass ich mich da selber übertroffen habe. Ich stelle vor, die Woche des total Zerfalls:

Montag. Ich habe den letzten Arbeitstag vor meinem tollen, einwöchigen Urlaub. Das will natürlich gefeiert werden und Samira denkt sich im Aldi, dass sie ja ruhig noch mal so zwei Flaschen Glühwein mitnehmen könnte. Was Samira allerdings vergessen hatte, war die Tatsache, dass noch zwei andere Flaschen auf ihren Verzehr in der heimischen WG warteten. Und so dachten meine Mitbewohner und ich, dass zwei Flaschen Glühwein vorm Fernseher killen total okay sei. Das hatte sogar den positiven Nebeneffekt, dass ich den Ballerfilm, den meine Jungs da wieder ausgesucht hatten, sogar einigermaßen erträglich fand. Also erstes Anzeichen für Alkoholismus: Glühwein nutzen, um Sachen erträglich zu machen. 



Dienstag. Weihnachtsfeier unserer Firma auf einem Schiff. Muss ich nicht mehr viel zu sagen. Ich finde, dass die oben abgebildete Dekoration schon alles sagt. Da musste man ja zum Glühwein greifen, sonst war das ja im Kopf nicht auszuhalten. Gesagt, getan und meine Kollegen und ich haben dann so oft zugegriffen, dass wir mindestens so voll waren wie ein russischer Elternabend. Dies führte dann dazu, dass ich unter Umständen unseren Vorstand anfeuerte, als dieser total auf Nirvana abging, ich den armen Kollegen von der IT gefühlt stundenlang damit auf den Sack ging, dass ich richtig, richtig - erwähnte ich schon richtig? - viel Angst vor der IT habe und zum krönenden Abschluss auch noch an der Reling des Schiffes stand und "Ich bin der König der Welt" brüllte, obwohl ich im wahren Leben super viel Respekt vor Wasser und wackeligen Schiffen habe. Zweites Anzeichen für Alkoholismus: Trinken, um Ängste zu überwinden.

Mittwoch. Da ich ja in den schönen Niederlanden studiere, war mir die Tradition deutscher Unis nicht bekannt, dass man mit anderen Studenten zusammen Die Feuerzangenbowle anschaut. Dann hab ich das halt mal zusammen mit der Gang von der TU gemacht und - quel surprise - es gab Glühwein und das ganz classy aus der Thermoskanne. Das war auch gut so, denn es war arschkalt im Audimax. Und auch bei unserer gemeinsamen Freundin, die uns danach mit in ihr Reich nahm um noch das ein oder andere Getränk auszuschenken. Natürlich hab ich mir dann auch noch einen für den Weg gegönnt, weil der war ja auch kalt. Und es hat funktioniert. Meine Wangen waren am Ende so heiß, dass ich erstens aussah wie (Achtung, Fontys-Insider) die Rouge-Prinzessin höchstpersönlich und man zweitens problemlos Spiegeleier drauf hätte braten könne. Drittes Anzeichen von Alkoholismus: Trinken mit schlechten Ausreden begründen.


L. hält den Glühwein wirklich mit Anmut
beim Feuerzangenbowle-schauen in der TU.
Donnerstag. Freunde reisten an und wir kochten gemeinsam. Dazu gab es natürlich mal wieder ein Glühweinchen. Ich hielt mich zurück, indem ich nur drei Becher trank. Merkte dann, dass "nur drei Becher" alarmierend war. Wie war ist es schon gekommen, dass ich drei Becher als Zurückhaltung meinerseits einstufe? Erste Zweifel kamen auf, ob ich nicht schon auf dem Weg zur Alkoholikerin war - was ja meine düsterste Zukunftsangst ist. Ihr erinnert euch, ich will nicht die verwirrte Frau sein, die morgens im Penny immer Wodka kauft. Ernsthaft. Beschloss also, nie wieder Glühwein zu trinken. Als mein Mitbewohner mich eine halbe Stunde später fragte, ob ich auch noch einen Glühwein will, sagte ich "Natürlikowski". Naaa toll. Erstens, weil ich noch einen Glühwein wollte und zweitens, weil ich tatsächlich "Natürlikowski" gesagt hatte. Viertes Anzeichen für Alkoholismus: Erkennen, dass man vielleicht ein Problem hat und es danach wieder vergessen. 

Freitag. Der Vorsatz, keinen Glühwein mehr zu trinken, stand. Es lief alles gut - bis ich Abends bei meinen Eltern auf Heimatbesuch war und diese unser Wiedersehen mit einem Glühwein begießen wollten. Ich stand in dem Zwiespalt, dass ich entweder meinen Eltern erklären musste, wieso ich den liebevoll für mich zubereiteten Glühwein ausschlug, oder ich zog das einfach ohne zu zögern durch. Erste Option wäre doof gewesen. Da wär ich ja schön blöd, mir gleich wieder einen langen, zähen Vortrag über die Gefahren des Alkohols von meinen Eltern einzuheimsen. Beschloss also, dass Zweiteres eindeutig die bessere Wahl wäre und ich außerdem sonst nie in den Genuss von selbstgemachten Glühwein kam. Eltern glücklich, Samira glücklich, der Hund glücklich, alle glücklich. Geht doch! Fünftes Anzeichen von Alkoholismus: Trinken um Konfrontationen aus dem Weg zu gehen.

Und der liebe Hundi fand das auch nur ein bisschen doof, als ich dem
den BobLeponge-Doppelkinngnom-Hut  von meinem Geburtstag aufsetzte...
Samstag. Jetzt aber wirklich keinen Alkohol mehr! Ernsthaft, das musste aufhören. Ich weiß, ich bin Studentin und wann sollte man mal so richtig die Sau rauslassen, wenn nicht jetzt? Aber ganz ehrlich, ich habe viel zu viel Angst davor, tatsächlich die verwirrte Frau im Penny zu werden. Also kein Alkohol! Anruf von einer Freundin. "Du. Ich. Düsseldorf. Weihnachtsmarkt." Bis dahin war ich total einverstanden. "Und Glühwein trinken!". Neeeeeiiiiiiiiiiin. Aber konnte ich einer meiner ältesten und besten Freundinnen den sehnlichen Wunsch abschlagen? Wir hatten uns schließlich schon so lange nicht mehr gesehen. Und eine Spaßbremse wollte ich auch nicht sein. Naaaa gut, ein Glühweinchen und dann sollte Schluss sein. Oder zwei, oder drei... Es wurden dann auch mehr als einer. Sechstes Anzeichen für Alkohlismus: Denken, der Abend kann nur schön und gesellig werden, wenn man sich mit Glühwein warm hält.

Und so war die Woche letztendlich wirklich eine von dem Kaliber:


Sonntag. Nun sitze ich hier und reflektiere selber, dass das aufhören muss. Ich habe den ganzen Glühweinkonsum eines Jahres in einer Woche durchgehauen. Respekt an mich selber, aber jetzt ist genug. Und das Gute ist, dass nicht nur ich einen Overkill habe. O-Ton Mitbewohner: "Wenn ich noch einen Glühwein trinken muss, reier ich höchstpersönlich in den Topf!" Ich glaube, ich werde mir diese Szene einfach jedes Mal vor Augen halten und schon werde ich für immer geheilt sein. Denn nun habe ich auch wirklich mit jedem, den ich kenne einen Glühwein getrunken und jetzt ist erst mal gut bis Ende 2012! Dann werde ich mir auch hoffentlich nicht mehr bildlich vor Augen halten, was mein Mitbewohner vielleicht mit dem Topf angestellt haben könnte.

Over And Out :)


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